Auftakt der Ringvorlesung "Deutschland und Frankreich im europäischen Kontext. Interdisziplinäre Perspektiven und kritische Zugänge"

16. Dezember 2019
18:15

Veranstaltungs-Infos

Prof. Dr. Peter Geiss (Universität Bonn) - Auf Deutsch

Den Auftaktvortrag hält Prof. Dr. Peter Geiss: Zwischen Sinnstiftung und Analyse: wie lässt sich die deutsch-französische Beziehungsgeschichte heute in europäischer Perspektive erzählen?

Prof. Dr. Peter Geiss ist seit April 2013 Professor für Didaktik der Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn. In den Jahren 2004 bis 2010 unterrichtete er die Fächer Geschichte und Französisch am Friedrich-Ebert-Gymnasium der Stadt Bonn und war dann von 2011 bis 2013 in der geschichtsdidaktischen Lehrerbildung der Universität Wuppertal tätig.

Der Vortrag

Die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen wird seit der napoleonischen Zeit in sinnstiftender Weise erzählt. Das berühmt-berüchtigte Narrativ von der sogenannten „Erbfeindschaft“ stiftete in aggressiver und nationalistischer Weise Sinn. Es rechtfertigte die Abgrenzung gegenüber den Nachbarn wie auch die Mobilisierung von geistigen, materiellen und – nicht zuletzt – militärischen Ressourcen gegen sie. So konnte der negative Mythos der „Erbfeindschaft“ trotz seiner historischen Absurdität zur „self-fulfilling prophecy“ werden. Aber auch die nach 1945 an Bedeutung gewinnende Erzählung von der deutsch-französischen „Aussöhnung“ übernahm wichtige Sinnstiftungsfunktionen, wenn auch ganz anders ausgerichtete und aus heutiger Sicht natürlich wesentlich konstruktivere.

Der Vortrag fragt nach Möglichkeiten, die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen weniger sinnbefrachtet und in höherem Maße analytisch zu erzählen. Dies geschieht in der Annahme, dass die Realität der deutsch-französischen Verständigung nach dem Zweiten Weltkrieg ein historischer Glücksfall ersten Ranges war, der gerade dann lehrreich und konstruktiv auf die europäische Gegenwart einzuwirken vermag, wenn er nicht zum Gegenstand allzu weitreichender narrativer Stilisierungen und Traditionsbildungen wird.

Organisiert von der Romanistik und dem Institut français an der Universität Bonn im Rahmen der Gründung des Centrum Ernst Robert Curtius an der Universität Bonn.

16. Dezember 2019
18:15