Michel Carmona: "Hittorff und Haussmann, zwei verfeindete Brüder, vereint in der Neugestaltung von Paris unter Napoleon III."

11. April 2017
19:00

Veranstaltungs-Infos

Vortrag von Michel Carmona: "Hittorff und Haussmann, zwei verfeindete Brüder, vereint in der Neugestaltung von Paris unter Napoleon III".

Jakob Ignaz Hittorff, geboren am 20. August 1792 in Köln, ist siebzehn Jahre älter als Georges-Eugène Haussmann, der am 27. März 1809 in Paris geboren wurde. Logischerweise hat er lange vor dem Beginn von Haussmanns Werdegang eine von zunehmendem Bekanntheitsgrad gekennzeichnete berufliche Laufbahn begonnen. Hittorff, der sich in Paris niedergelassen hatte, wurde 1818 Architekt. 1825 ist er bereits bekannt und erhält den Auftrag, die Krönungsfeierlichkeiten für König Charles X. in Reims zu organisieren. Die privaten und öffentlichen Aufträge werden immer zahlreicher und bedeutsamer, insbesondere nach der Revolution von 1830 mit der Thronbesteigung des neuen Königs Louis-Philippe. Ab 1831 arbeitet Hittorff mit seinem Schwiegervater, dem französischen Architekten Jean-Baptiste Lepère, am Bau der Kirche Saint-Vincent de Paul in Paris, einer Baustelle von großer Bedeutung. Haussmann, der soeben sein Jurastudium beendet hat, verdankt seinen Eintritt in eine Präfekturkarriere ebenfalls der Revolution von 1830 und seiner Beteiligung daran sowie der äußerst nützlichen Freundschaft zu den Söhnen des neuen Königs. Erste Erfahrungen sammelt er in der Provinz, 1831 in Poitiers, dann als Unterpräfekt in Kleinstädten Zentral- und Südfrankreichs: Yssingeaux 1833, Nérac ebenfalls 1833, Saint-Girons 1840 und  Blaye 1841.

Eine etwas mühsame Laufbahn, während Hittorff, der die Kirche Saint-Vincent de Paul erst 1844 fertigstellt, von Louis-Philippe mit den 1834 gesetzlich angeordneten Verschönerungsarbeiten  an den Champs-Elysées und dem Place de la Concorde beauftragt wird. Hittorff zeichnet die monumentalen Springbrunnen in der Mitte dieses berühmten Platzes sowie die Laternen und Säulen, die die Lampen tragen und leitet am 25. Oktober 1836 die Aufstellung des Obelisken von Luxor, einem Geschenk des Vizekönigs von Ägypten an Frankreich. Anschließend widmet er sich der Gestaltung der Gärten im unteren Teil der Champs-Elysées, wo er mehrere Theater errichtet, die es heute nicht mehr gibt. Oberhalb der Champs-Elysées überträgt man ihm den Entwurf von Gebäuden, die kreisförmig um den Arc de Triomphe de l’Etoile errichtet werden. 1848 erfolgt der Sturz von Louis-Philippe. Seine Ablösung durch Prinz Louis-Napoléon Bonaparte, dem Neffen von Napoléon I., der 1848 zum Staatspräsidenten der II. Republik gewählt wird, bevor er sich 1852 unter dem Namen Napoléon III. zum Kaiser ausrufen lässt, hat keinerlei Einfluss auf die Laufbahn von Hittorff, der vielmehr von Louis-Napoléon Bonaparte sowohl die Leitung des 1852 erbauten Cirque d’Hiver übertragen bekommt, als auch insbesondere im Juli 1852 die Gestaltung des Bois de Boulogne und der majestätischen Avenue, die vom Place de l’Etoile dorthin führt, die Avenue der Kaiserin, die heutige Avenue Foch.

Schwierig wird für Hittorff durch seine Zusammenarbeit mit Georges-Eugène Haussmann, als dieser 1853 zum Präfekten de la Seine ernannt wird, einem heute nicht mehr bestehenden Departement, das Paris mit einbezog. Für Haussmann war der Sturz von Louis-Philippe schmerzhaft. Als jedoch Louis-Napoléon Bonaparte Staatspräsident wird, ernennt er Haussmann zum Präfekten von Yonne, dann von Var, anschließend von Gironde (Bordeaux) und letztendlich von Seine mit dem Auftrag, das von Napoléon III. gewollte gigantische Programm des großen Wandels von Paris architektonisch umzusetzen.

Thema des Vortrags sind diese Arbeiten, ihr Entwurf und die Mittel, die ihre Durchführung ermöglicht haben. Und wir sehen, wie Haussmann, der die Anwesenheit von Hittorff, der von Napoléon III. wie von allen Staatschefs vor ihm sehr geschätzt wird, hinnehmen muss, ihm gegenüber zunehmend gemein wird.

Für die Zeitgenossen der beiden Männer bleibt diese Haltung unerklärlich. Ist der rüde Haussmann eifersüchtig auf einen Mann mit angenehmen Umgangsformen, der wie er deutschen Ursprungs und Lutheraner ist, aber dessen Erfolg sich schneller einstellte als sein eigener? Eifersucht gegenüber einem Architekten, dessen Werke entstehen und bleiben, während Haussmann sich selbst als Chefzerstörer bezeichnete? Man weiß es nicht. Jedenfalls haben Hittorff und Haussmann, fast wie zwei verfeindete Brüder, zusammen dazu beigetragen, Paris zu formen, der Stadt ihre heutige Physiognomie zu geben, ihr Bild in den Augen der Welt entstehen zu lassen.

Michel Carmona

Emeritierter Professor für Geographie, Raumordnung und Stadtplanung an der Université de la Sorbonne, Paris

In Zusammenarbeit mit: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

Im Rahmen der Ausstellung "Paris erwacht! Hittorffs Erfindung der Place de la Concorde" , 07.04.-09.07.2017, im Wallraf-Richartz Museum & Fondation Corboud

Mit freundlicher Unterstützung: Thalys

11. April 2017
19:00

Köln: Vortrag von Michel Carmona
Obenmarspforten
50667 Köln
Deutschland